
Myriam Brühwiler an ihrem Trainingsort im Kleinkaliberstand der Sportschützen Gossau. Bild: hlo.
NIEDERWIL. Myriam Brühwiler ist eine begeisterte Sportschützin mit ehrgeizigen Plänen. Im Sommer beendete sie ihre Lehre als Bäcker-Konditor, und Ende Oktober rückt sie aus dem Weiler Gebertschwil in die Rekrutenschule ein. Das Schiessen ist ihre grosse Leidenschaft, und dafür übt sie Disziplin.
Cecilia Hess-Lombriser
Die Meldung nach den Schweizer Meisterschaften im Schiessen in Thun war knapp gewesen: «Überraschend erreichte Myriam Brühwiler aus Niederwil Silber. Sie gewann in der Junioren-Disziplin 300-Meter-Dreistellungswettkampf als einzige Frau mit persönlicher Bestleistung.» Hinter dieser Meldung steckt eine 19jährige Frau, die sportlich klare Ziele hat und beruflich noch auf der Suche ist. Die Wiler Zeitung traf sie im Schiessstand Espel in Gossau. Sie trainiert bei den Sportschützen Gossau.
Körperbeherrschung
Für das Bild steigt Myriam Brühwiler in ihre steife Schiesskleidung und die hohen Schiessschuhe mit durchgehend flachen Sohlen. «Beim Schiessen muss die Muskulatur völlig entspannt sein, man muss fast in sich zusammensacken. Die feste Kleidung stabilisiert dabei die Körperhaltung», erklärt die junge Frau den Sinn der Kleidung. Körperbeherrschung, die Arbeit mit dem Atem und die Fähigkeit, sich ganz auf das Schiessen zu konzentrieren, sind Eigenschaften, die Myriam Brühwiler gelernt hat und an denen sie weiter arbeitet. Sie sind Voraussetzung für gute Resultate.Nervosität gibt es dennoch, und auch hier hat die Schützin ihr Rezept gefunden, um sich zu beruhigen und den Puls zu drosseln. An der Schweizer Meisterschaft in Thun hat sie es mit Musik versucht, und es ist gelungen, und auch den Atem setzt sie bewusst ein.
Elite als klares Ziel
Nächstes Jahr wird die Niederwilerin nochmals als Juniorin antreten. «Ich will in diesem Jahr noch Gas geben, damit ich dann bei der Elite vorne dabei sein kann», erklärt sie. «Gas geben» heisst für sie, konzentriert weiter zu trainieren. «Ich habe mich bereits dieses Jahr steigern können, und wenn es nächstes Jahr so weitergeht, sollte es passen», gibt sich Myriam Brühwiler selbstbewusst.
Zum Schiessen ist sie durch ihren Bruder gekommen. Als dieser den Jungschützenkurs besucht hatte und zu Hause davon erzählte, fand die Schwester alles interessant, und im folgenden Jahr versuchte sie es selber. «Zwei Jahre schoss ich in Oberbüren nur mit dem Sturmgewehr, und ich kam auf keinen grünen Zweig», erinnert sie sich. Als sie auf das Luftgewehr und Kleinkaliber umstieg, kam etwas in Bewegung. Sie hatte ihre Sportgeräte gefunden und realisierte, dass dieses Schiessen sie ganzheitlicher forderte. Bei den Sportschützen Gossau fand sie die nötige Unterstützung und die Trainingsmöglichkeiten.
Winter-Rekrutenschule
In Gossau verfolgt sie ihre sportlichen Ziele. «In zwei bis drei Jahren möchte ich in der Nationalmannschaft sein und über 300 Meter schiessen», sagt Myriam Brühwiler mit Bestimmtheit. Ein weiteres Ziel sind die CISM-Meisterschaften (Conseil International du Sport Militaire). Der internationale Militärsportverein ist eine der grössten internationalen Sportorganisationen der Welt. Sein Wahlspruch ist: «Freundschaft durch Sport.» Um dort mitmachen zu können, muss die Rekrutenschule absolviert werden. Diese wird die ehrgeizige junge Frau Ende Oktober antreten – nicht in erster Linie, um an den CISM-Wettkämpfen teilnehmen zu können, dieses Privileg erkannte sie erst später, sondern weil sie das Aussergewöhnliche sucht und schon als kleines Mädchen vom Militär angetan war, wenn WK-Soldaten auf dem elterlichen Hof einquartiert waren. So wird sie in Freiburg als Nachschubsoldat ihre RS absolvieren. «Ich freue mich auf etwas total anderes und auf neue Erfahrungen», begründet sie ihren Entscheid.
Berufliche Zukunft offen
Das Aussergewöhnliche hat Myriam Brühwiler schon immer angezogen. Fallschirmspringen gehört zu ihren Erfahrungen, ein 80-Kilometer-Marsch ohne vorheriges Training, eine Velotour ins Tessin mit Übernachtungen in Privathäusern und im Kloster, und nächstes Jahr steht eine Velotour nach Spanien auf dem Programm. Allerdings wird dafür ein Begleitfahrzeug organisiert. Aussergewöhnliche Anforderungen stellt auch ihr gelernter Beruf als Bäcker-Konditor. Im Winter und im Sommer ist sie in den vergangenen drei Jahre mitten in der Nacht mit dem Roller von Niederwil nach Niederuzwil gefahren, wo sie bei der Bäckerei-Konditorei Taverna ihre Lehre absolviert hat. «Man gewöhnt sich daran», meint sie. Ihre Arbeit gefällt ihr, trotzdem bezweifelt sie, dass sie dabei bleiben wird. «Der Körper würde vielleicht nicht mitmachen», befürchtet sie. Und so steht es noch in den Sternen, wohin sie sich nach der Rekrutenschule wenden wird.
Schritt für Schritt
Myriam Brühwiler erkennt, dass sie durch das Schiesstraining Kompetenzen erlangt hat, die ihr auch sonst im Leben dienen. «Ich habe gelernt, mich unter Erwachsenen und in der Männerwelt zu behaupten. Ich bin zwar zuerst noch etwas schüchtern, kann dann aber schon austeilen», meint sie. Die Konzentrationsfähigkeit habe sich merklich verbessert, und so habe sie für die Lehrabschlussprüfung kaum lernen müssen, weil sie sich den Stoff viel besser habe merken können als früher in der Schule.
Auch ihr Selbstbewusstsein sei gestiegen, und schliesslich übe sie Disziplin. Das müsse sein, wenn man ein Ziel erreichen wolle. Manchmal müsse sie sich zwar überwinden und versuchen, das Positive zu sehen, auch wenn etwas nicht gelinge. «Ich denke von Schuss zu Schuss und nicht an das Endresultat», erklärt Myriam Brühwiler eine Strategie, die ihr auch sonst im Leben hilft: Ein Ziel anpeilen und dann Schritt für Schritt darauf zu gehen.