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Die Prinzessin auf der Medaille
30.09.2006 /
Kategorie: St.Galler Tagblatt
 
 
 
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Gewehrschützin Sybille Eberle aus Sirnach hat am Europacup-Final für das beste Resultat gesorgt

Sirnach. Als Aussenseiterin ist Sybille Eberle aus Sirnach zum 300-m-Europacup-Final in Winterthur angetreten. Als heimliche Siegerin hat die Silbermedaillengewinnerin 48 Stunden später ihre Sechstklässler unterrichtet.

Urs Huwyler

Das gibts weltweit in den Schützenhäusern selten. Nicht, dass von Frauen in einem 300-m-Dreistellungsmatch (20 Schüsse liegend, stehend und kniend) Siege erzielt werden. Auch nicht, dass die Rangierung aufgrund der letzten Passe vorgenommen werden muss. Sybille Eberle schoss in der letzten Passe 97, Charlotte Jakobsen (Dä) 98. Also gewann die punktgleiche Weltrekordhalterin den Wettkampf. Ungewöhnlich war, dass eine Schützin jubelte, die Zuschauer an ihrer Freude teilhaben liess, Emotionen zeigte.

Genial sei es gewesen, strahlte Sybille Eberle und ergänzte, sie sei schon überglücklich gewesen, am Europacup-Final starten zu dürfen. Und dann der zweite Rang, genial, einfach genial. Sie sei nachts hellwach gewesen, hätte als Prinzessin auch eine Erbse oder besser gesagt Medaille gespürt. Und für den Superfinal, einem Show-Wettkampf im «K. o.»-Modus, habe sie sich auch qualifiziert, könne gegen die besten Schützen Europas antreten. Sie schied dann zwar nach Jacobsen als Zweite (Niederlage im Stechen gegen den französischen WM-Vierten Valerian Sauveplane) aus, «doch das Erlebnis und die Erinnerung kann mir niemand nehmen.»

Leistungssportlerin?

Sybille Eberle widerlegt insgesamt verschiedene Vorurteile. «Wenn ich Leute frage, welchen Sport ich wohl betreibe, sagen die meisten Volleyball oder sonst eine Sportart. Auf Schiessen kommt nie jemand», lacht die für die Sportschützen Gossau startende Internationale, deren Freund Gabriel Strässle im Klub unter anderem als Vereinstrainer amtet und die in Winterthur für das beste Schweizer Ergebnis gesorgt hatte. Alle andern einheimischen Athletinnen und Athleten waren anfangs August an der WM in Zagreb dabei.

Auch beruflich passt die Hinterthurgauerin Sybille Eberle so gar nicht ins Klischee: Primarlehrerinnen sind eher selten unter den Schützinnen zu finden. «Bei uns in Sirnach gibts damit keinerlei Probleme, weil sie mich als Sportlerin akzeptieren. Für mich ist das Gewehr keine Waffe, sondern ein Sportgerät wie für den Skifahrer der Ski oder für den Fussballer der Ball. In einem Dreistellungsmatch, der inklusive Probeschüsse zwei Stunden und 15 Minuten dauert, muss ich 60 Wettkampfschüsse bei voller Konzentration abgeben. Ein minimaler Einbruch kann auf internationalem Niveau bereits das Aus bedeuten.»

Am Europacup-Final schoss sie in den Zehnerserien 99, 99 (liegend), 06, 92 (stehend) sowie 99 und 97 (liegend). Siegerin Jacobsen erzielte stehend einen Punkt mehr und kniend einen weniger. Liegend lagen sie hinter zwei Konkurrentinnen auf Rang drei.

Vollzeit-Amateurin

Sportlich überrascht die Steigerung gegen Ende Saison. «Vor einem Jahr hätte ich die Frage, ob ich mich als Leistungssportlerin fühle, nicht uneingeschränkt mit Ja beantworten können. Jetzt hingegen schon. Was sich geändert hat? Ich trainiere nicht mehr im Schützenstand, aber sonst habe ich den Aufwand erhöht. Also im polysportiven oder Kraftbereich. Ein erster Erfolg hat sich nun eingestellt. Ich werde weiterhin vor allem Kleinkaliber und Luftgewehr trainieren. Die 300-m-Distanz ist zudem kaum zu finanzieren.»

Wer sich heute als Leistungssportler an der internationalen Spitze bestätigen möchte, arbeitet kaum mehr 100 Prozent. «Eine Reduktion ist für mich kein Thema», kontert Sybille Eberle, «ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit dem Beruf und nicht mit dem Sport. Zudem kann ich als Lehrerin auch einmal am frühen Abend oder am Mittwochnachmittag trainieren. Es gibt also keinen Grund, nicht 100 Prozent zu arbeiten.»

Und dann fügt sie strahlend an, ihr gefalle die Arbeit und das Umfeld in Sirnach derart gut, dass sie sich nichts anderes wünschen könne. «Und eine bessere Klasse als die Sechstklässler es sind, kann man gar nicht haben.»

 
 

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