Gewehrschützin Sybille Eberle aus Sirnach hat am Europacup-Final für das beste Resultat gesorgt
Sirnach. Als Aussenseiterin ist Sybille Eberle
aus Sirnach zum 300-m-Europacup-Final in Winterthur angetreten. Als
heimliche Siegerin hat die Silbermedaillengewinnerin 48 Stunden später
ihre Sechstklässler unterrichtet.
Urs Huwyler
Das gibts weltweit in den
Schützenhäusern selten. Nicht, dass von Frauen in einem
300-m-Dreistellungsmatch (20 Schüsse liegend, stehend und kniend) Siege
erzielt werden. Auch nicht, dass die Rangierung aufgrund der letzten
Passe vorgenommen werden muss. Sybille Eberle schoss in der letzten
Passe 97, Charlotte Jakobsen (Dä) 98. Also gewann die punktgleiche
Weltrekordhalterin den Wettkampf. Ungewöhnlich war, dass eine Schützin
jubelte, die Zuschauer an ihrer Freude teilhaben liess, Emotionen
zeigte.
Genial sei es gewesen, strahlte Sybille
Eberle und ergänzte, sie sei schon überglücklich gewesen, am
Europacup-Final starten zu dürfen. Und dann der zweite Rang, genial,
einfach genial. Sie sei nachts hellwach gewesen, hätte als Prinzessin
auch eine Erbse oder besser gesagt Medaille gespürt. Und für den
Superfinal, einem Show-Wettkampf im «K. o.»-Modus, habe sie sich auch
qualifiziert, könne gegen die besten Schützen Europas antreten. Sie
schied dann zwar nach Jacobsen als Zweite (Niederlage im Stechen gegen
den französischen WM-Vierten Valerian Sauveplane) aus, «doch das
Erlebnis und die Erinnerung kann mir niemand nehmen.»
Leistungssportlerin?
Sybille Eberle widerlegt insgesamt
verschiedene Vorurteile. «Wenn ich Leute frage, welchen Sport ich wohl
betreibe, sagen die meisten Volleyball oder sonst eine Sportart. Auf
Schiessen kommt nie jemand», lacht die für die Sportschützen Gossau
startende Internationale, deren Freund Gabriel Strässle im Klub unter
anderem als Vereinstrainer amtet und die in Winterthur für das beste
Schweizer Ergebnis gesorgt hatte. Alle andern einheimischen Athletinnen
und Athleten waren anfangs August an der WM in Zagreb dabei.
Auch beruflich passt die
Hinterthurgauerin Sybille Eberle so gar nicht ins Klischee:
Primarlehrerinnen sind eher selten unter den Schützinnen zu finden.
«Bei uns in Sirnach gibts damit keinerlei Probleme, weil sie mich als
Sportlerin akzeptieren. Für mich ist das Gewehr keine Waffe, sondern
ein Sportgerät wie für den Skifahrer der Ski oder für den Fussballer
der Ball. In einem Dreistellungsmatch, der inklusive Probeschüsse zwei
Stunden und 15 Minuten dauert, muss ich 60 Wettkampfschüsse bei voller
Konzentration abgeben. Ein minimaler Einbruch kann auf internationalem
Niveau bereits das Aus bedeuten.»
Am Europacup-Final schoss sie in den
Zehnerserien 99, 99 (liegend), 06, 92 (stehend) sowie 99 und 97
(liegend). Siegerin Jacobsen erzielte stehend einen Punkt mehr und
kniend einen weniger. Liegend lagen sie hinter zwei Konkurrentinnen auf
Rang drei.
Vollzeit-Amateurin
Sportlich überrascht die Steigerung
gegen Ende Saison. «Vor einem Jahr hätte ich die Frage, ob ich mich als
Leistungssportlerin fühle, nicht uneingeschränkt mit Ja beantworten
können. Jetzt hingegen schon. Was sich geändert hat? Ich trainiere
nicht mehr im Schützenstand, aber sonst habe ich den Aufwand erhöht.
Also im polysportiven oder Kraftbereich. Ein erster Erfolg hat sich nun
eingestellt. Ich werde weiterhin vor allem Kleinkaliber und Luftgewehr
trainieren. Die 300-m-Distanz ist zudem kaum zu finanzieren.»
Wer sich heute als Leistungssportler an
der internationalen Spitze bestätigen möchte, arbeitet kaum mehr 100
Prozent. «Eine Reduktion ist für mich kein Thema», kontert Sybille
Eberle, «ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit dem Beruf und nicht
mit dem Sport. Zudem kann ich als Lehrerin auch einmal am frühen Abend
oder am Mittwochnachmittag trainieren. Es gibt also keinen Grund, nicht
100 Prozent zu arbeiten.»
Und dann fügt sie strahlend an, ihr
gefalle die Arbeit und das Umfeld in Sirnach derart gut, dass sie sich
nichts anderes wünschen könne. «Und eine bessere Klasse als die
Sechstklässler es sind, kann man gar nicht haben.»