Oriana Scheuss, Sie haben eine weitere Saison mit nationalem und internationalem Schiesssport hinter sich. Wie sind Sie mit Ihren Leistungen zufrieden?
Mein Ziel war die Qualifikation für die Europameisterschaft im Kleinkaliber, um für die Olympischen Spiele in Peking wieder ins Gespräch zu kommen. Das habe ich geschafft. So gesehen kann ich mit der vergangenen Saison zufrieden sein. Wir haben an der EM im Kleinkaliberschiessen 50 Meter im Dreistellungswettkampf mit dem Team die Bronzemedaille gewonnen. Das war lange unser Ziel und ist uns endlich gelungen. Im gleichen Wettkampf hat unser Nesthäkchen für uns Frauen den zweiten Quotenplatz für die Olympiade erkämpft. Über 300 Meter wurden wir im Team Europameister. Im Einzel konnte ich den zweiten Rang belegen. Schön war auch das Ergebnis im ersten Wettkampf der Saison mit einem dritten Rang und vorallem einem guten Schiessresultat. All das hat mir gezeigt, dass ich wieder auf den Weg des Erfolges zurückkehren kann. Es liegt allerdings noch ein ganzes Stück Arbeit vor mir, denn trotz der Erfolge lief in dieser Saison noch lange nicht alles optimal.
Was hat denn in der Zeit vor dieser Sai-son nicht gestimmt?
Die vergangenen ein, zwei Jahre hatte ich einige Probleme im technischen Bereich. Es ging zwar um Kleinigkeiten, die aber auf das Schiessen entscheidende Auswirkungen haben können. Mit den schlechteren Resultaten sank die Sicherheit. Ich konnte weniger an Wettkämpfen teilnehmen und büsste an Routine ein. Mit den schlechten Resultaten hielt sich auch meine Freude am Schiessen in Grenzen. Deshalb musste ich mir zuerst klar werden, ob und wie es weitergehen wird.
Wie haben Sie die Wende geschafft?
Ob es nun Hartnäckigkeit, Durchhaltewille oder was auch immer war, ich wollte ganz einfach nochmals versuchen, wieder an die Spitze zurückzukehren. Ich nahm technische Veränderungen vor, kehrte vermehrt zu jenen Trainingspartnern zurück, die mich schon früher unterstützt hatten, veränderte mein Training und versuchte, aus meiner langjährigen Erfahrung zu schöpfen, mich mental wieder positiv einzustellen. Ich wollte es schaffen, die Freude am Sport wieder zu bekommen. Es war aber in keinem Moment klar, ob das funktionieren würde. Doch ein Versuch war es wert.
Sie haben Erfolge gehabt, Medaillen gewonnen und mehr erreicht, als andere sich überhaupt erträumen können. Was hat Sie trotzdem beim Spitzensport gehalten?
Ich bin froh, dass ich wieder bessere Zeiten erlebe. Das Schiessen ist und bleibt meine Leidenschaft und ist ein wichtiger Teil in meinem Leben. Ich liebe diesen Sport, den ich seit 16 Jahren auf inter nationaler Ebene intensiv betreibe. Zudem ist er für mich ideal als Ausgleich zum Beruf und zum Alltag. Durch ihn kenne ich auf der ganzen Welt viele Leute, die ich schätze und mag. Der Sport brachte mir viel Lebenserfahrung. Die Erlebnisse in Hochs und in Tiefs und der Umgang da-
mit haben mich geprägt. All das wollte ich noch nicht aufgeben.
Was steht im Moment an?
Zurzeit stehe ich wie meine Kolleginnen und Kollegen in den Vorbereitungen für die Luftgewehrsaison. Anfang November finden die ersten Wettkämpfe statt, in denen es um die Qualifikation für die EM geht. Parallell dazu laufen natürlich ebenfalls die Vorbereitungen auf die olympische Saison auf Hochtouren weiter. Im Jahr 2008 wird es in den Weltcupwettkämpfen darum gehen, sich für die Olympiade Kleinkaliber 50 Meter und Luftgewehr zu empfehlen. Dabei stehe ich für die beiden Quotenplätze in Konkurrenz mit einigen anderen Schützinnen.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft im Schiessport?
Noch vor der Olympiade möchte ich Klarheit darüber haben, ob und in welcher Form ich im Spitzensport bleibe oder nicht. Das heisst, dass ich meinen Entscheid nicht davon abhängig mache, ob ich die Qualifikation für Peking schaffe oder nicht. Viel wichtiger für diesen Entscheid sind unter anderem die Leistungen, die Freude, aber auch die Bereitschaft, den ganzen Aufwand weiterhin zu leisten.
Interview: Martin Brunner