Der Lütisburger Gewehrschütze Marcel Bürge war an der WM in München
mit drei Goldmedaillen der erfolgreichste Schweizer. Im September steht
für ihn das nächste Highlight auf dem Programm, er wird seine
langjährige Partnerin, die Schützin Andrea Brühlmann heiraten.
Urs Huwyler
Schiesssport. Nach dem 300m-Europacup anfangs Juli in Thun wirkte
der in Lütisburg wohnhafte Schütze Marcel Bürge müde und ausgebrannt.
Er war vom Weltcup in Belgrad angereist. Zuvor schoss er bereits in
Sydney (Aus) oder Fort Benning bei Atlanta (USA). «Im Hinblick auf die
WM in München muss ich etwas an der Planung ändern. Mir fehlt die
Erholung», erkannte der begeisterte Fischer. Drei Tage am
Eidgenössischen Schützenfest in Aarau standen bevor.
Marcel Bürge entschied sich richtigerweise, in
der Natur aufzutanken, Velo zu fahren und nur einmal an den
Breitensportanlass zu reisen. Am Ständematch für den Kanton St. Gallen
nahm er als Teamleader teil, auf die prestigeträchtige
Schützenkönig-Konkurrenz verzichtete er trotz TV-Live-Übertragung.
Der frisch gekürte Weltmeister Marcel Bürge geniesst den stillen Moment, als zu seinen Ehren die Nationalhymne gespielt wird. Bild: Urs Huwyler
Ein Entscheid, der im Schützenvolk auf Kritik stiess. Umso grösser
ist nun die Genugtuung bei Bürge. «Mir ist in München ein Felsbrocken
vom Herzen gedonnert. Der Einzel-WM-Titel über 3x40 gibt mir auch
deshalb neuen Schub für die Olympischen Spiele 2012 in London, weil ich
bis zwei Punkte an den Weltrekord heran kam.» Die Goldmedaillen in den
Teambewerben 3x20 und 3x40 waren eine willkommene Zugabe. Bei den
durchschnittlichen Erfolgen der letzten Monate kamen Zweifel auf, ob die
Zeit abgelaufen sei. «Jeder Sportler beginnt zu grübeln, wenn er den
Anschluss zu verlieren droht. Um so schöner ist es, wenn sich der Erfolg
nach einer weniger erfolgreichen Zeit wieder einstellt», fügt der bei
den Sportschützen Gossau schiessende gebürtige Degersheimer an.
Grand Slam der Schützen
Wie 2002, als er nach seinen drei WM-Titeln in Lahti zum
«Weltschützen des Jahres» gewählt wurde, schrieb Marcel Bürge an der 50.
WM wiederum Geschichte. Vor acht Jahren war er der bisher einzige
Schweizer, der Gold im olympischen 3x40-Bewerb (40 Schüsse liegend,
stehend, kniend) gewinnen konnte. Nun gehört er weltweit zu jenen drei
auserlesenen Schützen, die an Weltmeisterschaften in allen
Dreistellungswettkämpfen zuoberst auf dem Podest standen. Der
Schützen-«Grand Slam» setzt sich aus 3x40 (Kleinkalibergewehr 50m), 3x40
(Freie Waffe 300m) und 3x20 (Standardgewehr 300m) zusammen. «Dass ich
dazu gehöre, macht mich schon etwas stolz», freut sich der
Gewehr-Allrounder, der auch schon mit dem Luftgewehr (10m) an
Titelkämpfen dabei war.
Sein Terminplan weist allerdings weiterhin nur wenige Lücken. Marcel
Bürge dürfte auch künftig nur tageweise bei seinem Arbeitgeber Heinrich
Bleiker in Bütschwil anwesend sein. Neben dem Europacup-Final,
Trainingslagern oder der Schweizer Meisterschaft steht im November noch
die CISM-Weltmeisterschaft auf dem Programm. Rund 70 Prozent arbeitet
der Toggenburger als Schütze. Bei ausländischen Rivalen kann
mehrheitlich von Vollprofis gesprochen werden. «Ich werde mir überlegen,
wie ich in den olympischen Disziplinen den Abstand zur Weltklasse
verringern kann. Sie werden darüber nachdenken, weshalb sie von einem
Teilzeitprofi bezwungen wurden.»
Heirat im September
Nichts mehr zu überlegen gibt es in der Sache Bürge+Brühlmann. Mitte
September werden Andrea Brühlmann (Winden) und Marcel Bürge in Arbon
heiraten. Sie gehörte an der WM in München ebenfalls der Schweizer
Delegation an, verpasste eine Medaille mit dem 300m-Team jedoch um einen
Punkt. Dreht sich bei Bürge-Brühlmann alles um den Schiesssport? «Nein.
Wir haben von Anfang an Privat und Sport getrennt. Aber es ist nicht
immer einfach. Vor allem wenn der eine Erfolg hat und der andere nicht»,
verrät Marcel Bürge.
Bei andern (im Schiesssport nicht seltenen) Spitzensport-Paaren war
verschiedentlich zu erkennen, dass der eine schlecht schoss und der
andere dadurch ebenfalls in ein Loch geriet. «Die Gefahr besteht», weiss
Marcel Bürge um die besondere Situation. «Es gibt deshalb aus Erfahrung
nur den harten Weg, sich im sportlichen Bereich um sich selbst zu
kümmern. Sonst verlieren beide viel Substanz. Man kann sich gegenseitig
unterstützen, aber nicht helfen. Dafür braucht es ein individuell
gestaltetes Umfeld im technischen Bereich. » Den nächsten Erfolg werden
sie gemeinsam feiern. Vielleicht wird irgendwann ein Sie+Er-Match ins
WM-Programm aufgenommen.